Hi Leute. Wie ist es eigentlich, wenn plötzlich der Support mit Beschwerden explodiert und es im Minutentakt 1-Sterne-Bewertungen hagelt? Um ehrlich zu sein es fühlt sich richtig scheiße an! Woher ich das weiß? Wir haben mal einen Product-Launch so richtig in den Sand gesetzt:
Wie wir dort mit Hängen und Würgen wieder rausgekommen sind und was ich daraus Wichtiges gelernt habe, erfährst du heute.
Wie lange brauchst du noch?
Es war ein Freitagabend im Oktober 2014, kurz vor Mitternacht und wir haben überall kommuniziert, dass die neue Parcello App morgen released wird und ich fragte unseren Entwickler: "Hey wie viel Minuten brauchst du noch bis wir alles live stellen können?" und er schaute mich nur verdutzt an und meinte: "zwei Wochen?" und ich dachte mir WHAT? zwei Wochen? 🤯
Wie konnte es zu dieser Fehlkommunikation kommen? Und warum wir trotzdem ein paar Tage später released haben und wieso dies der größte Fehler war nach einem kurzen Augenblick.
Der Untergang
Eigentlich begannen das Schiff schon an einem warmen Frühlingsmorgen im Jahr 2014 zu sinken, als wir beschlossen haben die Parcello-App selbst zu programmieren. Unsere Webseite existierte zu dem Zeitpunkt schon ein paar Jahre und dank guter SEO Platzierung hatten wir täglich mehrere tausend Besucher.
Die Nutzer mochten unseren Dienst doch zu der Zeit wurden mobile Webseiten und Apps immer populärer. Wenn 2011 noch 90 % unseres Traffics Desktop war, waren es 2014 schon 50 % und heute hat sich das Verhältnis komplett umgedreht und sind über 90 Prozent mobile Traffic.
Im Winter zuvor haben wir gerade ein Studentenprojekt für die Beuth Hochschule im Berlin-Weddingen gestellt. Das war im Rahmen des Programms „Lehre trifft Wirtschaft“. Eigentlich amüsant, da ich nie ein Hochschulstudium abgeschlossen hatte und jetzt Studenten sagen sollte, was sie machen sollten … Unsere Idee war zu dieser Zeit: Wir lassen einfach die Studenten die parcello App entwickeln und sparen uns hier die Beschäftigung eines Entwicklers.
Wer sich jetzt denkt: „oh Mann, typische Unternehmer … immer geizig … warum bezahlt ihr nicht einfach jemanden?“ Das hatte wenig mit Geiz zu tun, sondern mit purer Verzweiflung!
Die gesamten Umsätze des Projekts lagen damals nämlich bei knapp über 1.000 Euro und abzüglich Serverkosten, einem Freiberufler, der uns in der IT unterstützte und Buchhaltung blieb da nicht viel Spielraum. Einen Investor hatten wir zu diesem Zeitpunkt auch nicht, also mussten wir irgendwie kreativ werden.
Wer billig kauft, kauft doppelt?
Leider war das Ergebnis nach einem Semester weit weit weit weit davon entfernt auch nur ansatzweise zu funktionieren und eigentlich um ehrlich zu sein, es war totaler Müll.
Im Nachhinein weiß ich, dass wir da auch ein kleines bisschen viel von den Studenten erwartet haben. Nicht, dass man das nicht in einem Semester schaffen könnte, es kann auch sogar eine Person in dieser Zeit schaffen, aber dazu wäre sicherlich mehr Vorerfahrung und Betreuung notwendig gewesen.
Also wieder keine App und in der Zwischenzeit kamen immer mehr Konkurrenten, die zwar keine Ankunftsprognose wie Parcello hatten, aber eben gute Sendungsverfolgungs-Apps in die Stores brachten. Doch selbst unser Alleinstellungsmerkmal mit der Ankunftsprognose, fing langsam an zu bröckeln, Denn zu dem Zeitpunkt veröffentlichte DHL eine Pressemeldung, dass sie an einem ähnlichen Vorhersagesystem wie unserem arbeiten.
Der Traum wird wahr, oder?
Um nicht komplett abgehängt zu werden, brauchten wir also eine gute App und nach einigen Hin und Her entschlossen wir uns dann hey lasst uns doch die App einfach jetzt inhouse versuchen zu stemmen und zur selben Zeit war ich gerade gepusht von den Merath Büchern und ich verliebte mich in den Gedanken nur noch Unternehmeraufgaben zu machen und für alles andere Mitarbeitende zu finden.
Rückblickend betrachtet war das ein totaler Irrsinn denn wenn man der Realität und vor allem den Kontostand ins Auge sah, schlitterten wir haarscharf an der Insolvenz vorbei. Zu dem Zeitpunkt waren wir ein Kernteam aus vier Leuten: Dem besagten freiberuflichen Entwickler, einem Informatikstudium Praktikanten, Sarah und ich.
Und voller Euphorie skizzierten wir eine rosige Zukunft von parcello. Mit Integrationen Online-Shops und tollen Wachstumskurven, wir schrieben motivierende Anleitung, schärften die Vision und für eine kurze Zeit hatten wir wirklich das Gefühl wir schaffen das, wir bewegen, gerade etwas richtig richtig Großes und fleißig arbeiteten wir an der Umsetzung der App.
Mist, wie baut man eigentlich eine App?
Leider hat aber niemand aus dem Team vorher schon mal eine App gemacht und konnte deshalb irgendwelche Erfahrungen einbringen trotzdem entschieden wir uns dann für einen "Hybridansatz" bei dem man nur einmal eine App programmiert, die dann für Android, Apple und damals noch Windows Phone funktionierte.
Die Deadline wurde motiviert von uns auf einen Freitag im Oktober gesetzt, weil wir unbedingt das Weihnachtsgeschäft mitnehmen wollten. Warum ich an diesen Tag noch immer traumatische Erinnerungen habe und vor allem an die darauffolgende Zeit gleich mehr.
Zu dem Zeitpunkt der Entwicklung hatten wir nur einen Schreibtisch in einem Co-Working-Space, der nicht für uns alle reichte und deshalb funktioniert mir kurzerhand unsere 50 Quadratmeter Wohnung in Berlin Wedding zum Büro um. Dort hockten wir dann den ganzen Tag von frühmorgens bis abends und nun kam halt der besagte Abend und es war so weit, dieser Freitag im Oktober und ich habe die Szene noch genau vor Augen.
3, 2, 1 GOOO!!!! Oder auch nicht …
Der Entwickler saß vor dem Rechner in unserem damaligen Wohnzimmer und Sarah und ich schauten ihm über die Schulter und wir fragten kurz vor Mitternach: „hey wie viel Minuten brauchst du denn noch bis wir alles online stellen konnten“, weil wir tatsächlich davon ausgegangen waren, dass es gleich so weit ist und er meinte daraufhin nur: „mindestens noch zwei Wochen“.
Ganz ehrlich, in dem Moment verstand ich die Welt nicht mehr! Ich war fuchsteufelswild und fragte mich, warum wir das nicht vorher wussten. Im Nachhinein fragte ich mich, wie ich so blind sein konnte, dass nicht mitbekommen zu haben.
Ich war ein richtig schlechter Chef
Heute weiß ich: Ich war einfach ein richtig, richtig schlechter Chef! Ich war so verblendet davon, nicht mehr "im", sondern "am" Unternehmen zu arbeiten, dass ich die Hilfe-Schreie der Mitarbeitenden völlig ignoriert habe und tatsächlich nicht mitbekam, was im Unternehmen alles schieflief. Ich wollte einfach, dass es klappt und illusorisch von vorherigen Erfolgen dachte ich das wirklich.
Heute weiß ich: Nur mit reiner Willenskraft wird ein Projekt noch nicht fertig! Auch wenn Bücher wie Think and Grow Rich dir was anderes erzählen wollen. Der größte Fehler folgte aber erst noch.
Denn anstelle des Teams so viel Zeit zu geben, wie es brauchte, erhöhte ich massiv den Druck und presste darauf, so schnell es nur irgendwie geht fertig zu werden. Kurzerhand wurde noch ein weiterer Student hinzugeholt, der schon mal eine App in die Stores gebracht hatte. Er half uns auf den letzten Metern.
Dann war die “App” endlich fertig …
Das Ergebnis war zwar eine App, aber die war alles andere als ausgereift. Die einfachsten Funktionen waren defekt. Menschen, die jetzt schon mehrere Jahre auf unsere App gewartet hatten, kauften sich direkt die Pro-Version, nur um kurz darauf, dann festzustellen, dass so gut in nichts funktionierte und zu Recht hagelte es ein 1-Sterne-Bewertung in den Stores.
Gefühlt hatten wir das ganze über die Jahre aufgebaute Vertrauen binnen weniger Stunden einfach so verspielt. Und um weiteren Schaden abzuwenden, haben wir den Release dann wenige Stunden später, ich weiß nicht mehr genau, ob es ein Tag war oder mehrere Stunden zurückgezogen und alle Käufe zurückerstattet.
Ich hatte alles auf eine Karte gesetzt und mich verzockt
Und zu Recht verließ uns auch der Entwickler direkt danach und nun standen wir da vor dem Scherbenhaufen eines nicht funktionierenden Systems.
Der dadurch entstandene finanzielle Schaden und Schock war so heftig, dass wir unsere Wohnung in Berlin nicht mehr uns leisten konnten und wird zurück zu meinen Eltern nach NRW gezogen sind.
Ich hatte alles auf eine Karte gesetzt und mich verzockt!
Was habe ich daraus gelernt?
Solange dein Laden bisher nicht rund läuft, musst du selbst die Ärmel hochkrempeln, wenn Not am Mann ist. Es ist eine schöne Vorstellung alles auslagern zu können, doch dies als Ausrede zu nehmen, dass dadurch wichtige Sachen liegen bleiben ist definitiv der falsche Weg!
Höre deinem Team immer aufmerksam zu und nimm dich selbst nicht so wichtig. Probleme entstehen nicht von heute auf morgen, sondern sind eine Verkettung von vielen verschiedenen Ereignissen.
Vertrauen verspielt sich nicht über einen Tag. Selbst durch so einen Super-GAU wie mit unserem App-Launch geht die Welt davon nicht unter, wir haben uns danach auch wieder aufgerappelt, neue Partner gefunden und im Endeffekt die App ein Jahr später veröffentlicht. Heute kräht da kein Hahn mehr nach.
Scheitern ist oft der Reality-Check, den du ab und an brauchst, um auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen, um danach bessere Entscheidungen treffen zu können und persönlich zu wachsen. Mit nun Mitte 30 kenne ich keine langjährigen Unternehmer mehr, bei denen es immer bergauf ging.
Ob ein Projekt komplett scheitert, ist immer eine Entscheidung, niemals der alleinige Umstand, der von außen passiert. Solange du noch an die Idee glaubst und das habe ich zu dem Zeitpunkt, solange finden sich auch Wege, oder eben Umwege weiterzumachen.
Wenn du wissen willst, warum Projekte überhaupt scheitern und ob mein YouTube-Kanal vielleicht sogar scheitert, dann habe ich dieses Video hier für dich vorbereitet und wenn du wissen willst, welche weiteren Fehler du vermeiden kannst, um nicht so eine Bruchlandung wie wir das gemacht haben hinzulegen, dann ist dieses Video hier ideal für dich!
Was war dein größter Fehler? Schreib mir in den Kommentaren, was du daraus gelernt hast! Ich freue mich, deine Erfahrungen zu lesen. Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit und bis zum nächsten Mal.